Dienstag, 19. Juli 2011

Die Eine


Leicht erkennbar war die Eine
An den Halbmond auf dem Haupte;
Stolz, wie eine reine Bildsäul,
Ritt einher die groβe Göttin.

Hochgeschürzte Tunika,
Brust und Hüften halb bedeckend.
Fackellicht und Mondschein spielten
Lüstern und die weiβen Glieder.

Auch das Antlitz weiβ wie Marmor,
Und wie Marmor kalt. Entsetztlich
War die Starrheit und die Blässe
Dieser strengen edlen Züge.

Doch in ihrem schwarzen Auge
Loderte ein grauenhaftes
Und unheimlich süsses Feuer,
Seelenblendend und verzehrend.


Heinrich Heine
(Atta Troll)

Samstag, 16. Juli 2011

Orte

Ich habe in meinem Buchregal ein Buch gesucht, und plötzlich habe ich Orte gefunden. Dieses Buch bringt mir immer schöne Erinnerunge. Ich habe es genommen, und durchgeblättert. Ich habe vergessen, was ich suchen wollte. Hier lasse ich Euch die seite 262.


Ich baue für uns eine Traumstadt, da wollen wir uns treffen, hohe, schönfarbige Gebaude,vielfenstrig mit Dachterrassen, Dachgärten, mit viel Land zwischen ihnen, Parks wie in London, voll Schafherden, mit Pinienwäldern, wie in Rom zu Goethes Zit. Mit Türmen und Seen, Schwebebahnen und Riesenzelten, an Masten aufgehängt. Gefällt es dir? Frage ich und deute auf die kleinen Wälder und auf die Ladenstraßen, die Bazare mit kupfernen Krügen und silbernen Schüsseln, die roten und blauen Teppiche, die Glasmalerei. Ich gehe mit dir auch durch die Passagen, durch die Spielstraßen, man drückt auf einen Knopf, und Musik begleite eine, umgibt einen überall. War es nicht das 5. vorchristliche Jahrhundert, das dich zuletzinteressierte, früher die Sumerer, die Ägypter, die Etrusker, alles Archaisch-Mittelmeerische, aber ganz zuletzt die Klassik, das Geheimnis der Klassik, tritt ein, zieh den Vorhang zurück. Den Torso aus Parischem Marmor kennst du nicht, sie Haben ihn aus dem Meere gezogen, da warst du schon tot. Gefällt es dir, frage ich und deute au den Torso und später auf die alte, sorgfältig am Leben erhaltene Dorflinde und auf die Sternwarte und auf die Schulhöfe mit ihren lustigen Mosaiken. Aber deien Augen sind Leer.

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Marie Luise Kaschnitz, autorin von diesem Buch, Orte, ist am 31 Januer 1901 in Karlsruhe, geboren. Sie starb am 10. Oktober in Rom.